Von Partys und 'ner Späthschicht


Ich bin ja eigentlich nicht so der Party-Typ. Party im Sinne von privaten oder öffentlichen Großveranstaltungen. Freunde, Verwandte und Bekannte wissen das. Weil ich lieber mit denen in einem Restaurant sitze, auf der heimischen Terrasse oder in einer Wanderhütte. Jeweils maximal zu acht, damit man noch ganze, zusammenhängende Sätze austauschen kann, und nicht nur Fragmente. Doch es gibt Ausnahmen. Was den Besuch von Partys und die Veranstaltung eigener Festivitäten betrifft.

Letztes Jahr zum Beispiel ging ich zu einer Party, deren Gastgeber und ich uns erst kurz zuvor im Internet kennen gelernt hatten. Die anderen Eingeladenen: unbekannt. Ebenso der Veranstaltungsort, eine großzügig geschnittene Nürnberger Altbauwohnung inklusive Home-Office offenbar. Einblicke in das Leben fremder Menschen zu gewinnen, wie sie das bewohnte Domizil unmissverständlich liefert, finde ich immer spannend: Wird etwas gesammelt (Bücher vs. Zinnsoldaten vs. Schuhe?), hat man einen eigenen Stil gefunden oder Mutters abgelegte Tischdecken, dominieren Showelemente oder Authentizität (unaufgeräumte Ecken?), gibt es das Designerwohnzimmer aus dem Katalog oder eine kreative Kombination verschiedener Einzelstücke, wohnst du noch oder lebst du schon? Erwartet die Gäste ein opulentes Buffet (bestellt, perfekt) oder eine Ansammlung selbst gemachter Häppchen (liebevoll, improvisiert)? Ich werte all das nicht, und mir ist es insbesondere egal, was es zu essen gibt, aber interessant ist es trotzdem. Und manchmal inspirierend.

Was mich eher von einem Party-Besuch abschreckt, ist, wenn die Eingeladenen zuvor quasi unter Zugzwang gesetzt werden. U.A.w.g. bis zum Soundsovielten. Der Soundsovielte liegt zwei Wochen vor dem Fest. Hach. Man weiß doch noch gar nicht, ob man an jenem Tag Zeit und Lust hat. Andererseits wollen Gastgeber kalkulieren können, auch klar. Ich antworte dann meist, es noch nicht so genau zu wissen und frage, ob man auch kurzfristig zusagen oder gar spontan erscheinen könne. An der Antwort erkennt man gute Freunde.

Wer öfter Gastgeber ist, weiß, dass man sich etwas einfallen lassen muss, will man selbst (auch) etwas vom eigenen Fest haben, also nicht nur herumrennen, servieren, die Spülmaschine bestücken. Zum Beispiel Helfer engagieren, auf Self-Service bestehen, ausnahmsweise Einweggeschirr benutzen, oder die Party erst nach der üblichen Abendessenszeit beginnen lassen. Für letzteres entschied ich mich zum Jahreswechsel 2009/2010. Noch ganz in der Twitter-Anfangseuphorie lud ich meine „Follower“ (Abonnenten) via Twitter zum „Twilvester“, einer Silvesterparty speziell für Twitterer aus dem Großraum Nürnberg, ab 23:00, in Burgnähe. Tja, es wurde, wie erwartet, recht lustig. Die (einzige?) Gemeinsamkeit, das verbindende Element der Anwesenden war ja eben, Twitter zu nutzen, als Networking-Instrument, Informationsdienst, Marketingtool, zu Recherche- oder Kommunikationszwecken oder zu-was-auch-immer. Man kannte sich nicht unbedingt persönlich, zuvor, war aber an einer Begegnung im „real life“ interessiert. Witzige Sache, über die der geneigte Leser hier mehr erfährt.

Jüngster Anlass für ein selbst organisiertes Fest war mein Umzug nach 67487 Maikammer in der Südpfalz. Seit Februar 2011 wohne ich nun in dem hübschen Weindorf im Landkreis SÜW, habe mich gut eingelebt, die Gegend erkundet, bestehende Kontakte gepflegt, neue geknüpft, unfassbar freundliche, offene Menschen angetroffen. Kurz, eine kleine Welcome-Party stand an. Ich wählte den 18. Juni, von 14:00 bis 22:00, nannte das Ding „Späthschicht“, wobei das eventuell nicht jeder verstand, und betonte auf der Rückseite der Einladungskarte (Print!), keine Zu- oder Absage zu erwarten, sondern mich gern überraschen zu lassen, gerade auch von spontanen Kurzbesuchen.

Meine Freude am vergangenen Samstag war groß. Anfangs nur zu dritt tranken wir Eiskaffee bis zum Abwinken, bevor unzählige Pappbecher beschriftet wurden, eine temperamentvolle Cockerspanieldame die Terrasse eroberte, man Nürnberger Bratwürste am besten aufaß, der „Schöfferhofer Weizenmix mit Grapefruit“ kurzfristig dominierte, die hilfsbereite Nachbarin I. zig Käsewürfel brachte, das Bose-Soundsystem angetestet, eine vermeintlich schief angebrachte Deckenleuchte kommentiert und diverse Zeitungsausschnitte beäugt wurden, der Weißwein kaum so schnell gekühlt werden konnte, wie es erforderlich war, man Lose zog, es regnete, und dann wieder nicht, und deswegen spätabends die Kerzen brannten, draußen. Alt und Jung kamen ins Gespräch miteinander, hatten Spaß, erzählten sich was. So kam es denn auch zu ein paar Überstunden. Ich danke dem Weingut Heilweck fürs Rotweinsortiment, freute mich sehr über den Besuch der Familien A., F., R., S. und W., die anwesenden Herren A., F. und T., diverse Mitbringsel, kann und soll nicht alle(s) aufzählen, schnell noch Höhn und Hollerith, dafür mit Link, und ach ja, gewonnen hat das Los mit der Nummer 003! Schön war’s!